Musikland Tirol

Giovanni Antonio Pandolfi Mealli ist in den Rechnungsbüchern des Innsbrucker Hofes nur ein einziges Mal kurz im Zusammenhang mit dem Bezug seines Jahresgehalts als Geiger der Hofmusik in Höhe von 200 Gulden erwähnt. Sein schwungvoller barocker Name wäre wohl für immer vergessen, wenn sich nicht wie durch ein Wunder seine 1660 in Innsbruck bei Michael Wagner gedruckten beiden Sonatensammlungen für Violine und Basso continuo als Unikat im Civico Museo von Bologna erhalten hätten. Der bekannte englische Geiger Andrew Manze hat diese Sammlung von je sechs Sonaten zusammen mit dem Cembalisten Richard Egarr unlängst beim amerikanischen Label harmonia mundi usa überaus virtuos und beeindruckend auf CD eingespielt. Da wir jedoch nach der Notenedition der kompletten Sonatensammlung Meallis für unser Internetprojekt www.musikland-tirol.at zur Überzeugung gelangten, dass die vorliegende Interpretation trotz ihrer faszinierenden Brillanz, vor allem was die Gestaltung des Continuoparts betrifft, gewiss nicht vollständig der Intention dieser überaus spannenden Musik gerecht wird, haben wir uns entschlossen, im Zuge unserer akustischen Präsentation der Tiroler Musikgeschichte, diese wichtige Quelle aus unserer Sicht authentischer zu dokumentieren.

Pandolfi Meallis Wirken als Geiger der Innsbrucker Hofmusik fällt in eine Glanzzeit der Tiroler Musikgeschichte. Damals regierte der Habsburger Erzherzog Ferdinand Karl in Tirol. Rückblickend hat er im Jahrzehnt seiner Herrschaft der Tiroler Kulturgeschichte zur Weltgeltung verholfen. Der überaus weitsichtige und kunstsinnige Fürst veranlasste nicht nur den Bau eines prachtvollen Opernhauses mit modernster Ausstattung, das nach seiner Fertigstellung überhaupt das erste Musiktheater nördlich der Alpen mit einem fest angestellten Personal repräsentierte, sondern er holte vor allem mit Antonio Cesti den berühmtesten Opernkomponisten seiner Zeit nach Innsbruck, der hier seine bedeutendsten Werke schuf und dafür von seinem Herrn mit einem Palast belohnt wurde. In dieses einzigartige kulturelle Flair, das fundamental von italienischem Einfluss geprägt war - Erzherzog Ferdinand Karls Mutter Claudia entstammte ebenso wie seine Gemahlin Anna dem Florentiner Adelsgeschlecht der Medici - ist Pandolfi Meallis künstlerische Tätigkeit eingebettet. Giovanni Antonio Pandolfi Mealli übersiedelte vermutlich im Herbst 1652 nach Innsbruck. In diesem Jahr unternahm Erzherzog Ferdinand Karl mit seiner Gemahlin Anna und zahlreichem Gefolge eine Reise an die Höfe von Mantua, Parma, Ferrara und Florenz, wo das Paar mit großen Festlichkeiten, Waffen- und Wasserspielen, Komödien, Balletten und Opern gefeiert wurde.

Im Zuge dieser Visiten bedeutender italienischer Fürstenhöfe lernt Erzherzog Ferdinand die Vielfalt und den Glanz italienischen Kulturlebens kennen, das in dem sensibel empfänglichen jungen Fürsten bleibende Eindrücke und Sehnsüchte erweckte. Kaum nach Innsbruck zurückgekehrt, wird das Bauprojekt des neuen Komödienhauses ebenso zielstrebig angegangen wie die personell aufwendige Ausstattung seiner Musikkapelle, auch in Hinblick auf ihre künftige Aufgabenfülle im Bereich der Oper. Zur üblichen Hofkapelle, die hauptsächlich für die Kirchenmusik zuständig ist und von dem bedeutenden Komponisten Ambrosius Reiner geleitet wird, kommt die nun materiell so reich dotierte Hofmusik, die vor allem für die weltlichen Vergnügungen zuständig ist. Erzherzog Ferdinand Karl hatte für dieses Ensemble, das sowohl aus Sängern, zumal aus den vor allem für die Oper bestimmten Kastraten wie auch aus zahlreichen Instrumentalisten bestand, während seiner Italienreise durch diverse Engagements reichlich vorgesorgt. Die Hofmusik, auch Welsche Musici, setzte sich nahezu vollständig aus Italienern zusammen, die teilweise schon in Innsbruck wirkten (z.B. Antonio Maria Viviani, der als Geiger, Hoforganist und Hofkaplan beim Fürsten großen Einfluss hatte und ihm in musikalischen Angelegenheiten beratend zur Seite stand), aber in der Mehrzahl neu angeworben wurden, wie eben Pandolfi Mealli und viele andere. Im selben Jahr wie Pandolfi Mealli trat formell auch Antonio Cesti in die Dienste des Tiroler Landesherren, nahm aber in Erfüllung anderer Aufträge erst ab 1654, als das neue Opernhaus fertig gestellt war und mit seiner Oper Cleopatra eröffnet wurde, ständigen Wohnsitz in Innsbruck.

Giovanni Antonio Pandolfi Mealli wirkte als Geiger in der Innsbrucker Hofmusik. Musikalischer Leiter ist der berühmte Antonio Cesti, ihm zur Seite steht Antonio Maria Viviani als Intendant. Um 1660, als Pandolfi Meallis Sonatensammlungen publiziert wurden, gehörten dazu des weiteren der Kapellmeister Antonio Melani, der Hoforganist Antonio Castelli sowie vier Kastraten (Clemente Antoni, Felippo Bombaglia, Giovanni Jacopo Biancucci, Pompeo Sabbatini), nach denen allen der Komponist je eine Sonate benannte. Gewidmet hat Mealli die sechs Sonaten opus 3 der Tiroler Landesfürstin Anna von Medici und opus 4 Erzherzog Siegmund Franz, dem letzten Landesherrn der tirolischen Linie der Habsburger.

Pandolfi Meallis Sonatensammlungen sind vermutlich aus der Praxis seiner Innsbrucker Jahre über den ganzen Zeitraum seines Wirkens entstanden. Gegenüber den etwas formal schablonenhafteren Gestaltungen in Opus 3 zeigen die sechs Sonaten opus 4 eine deutliche Entwicklung. Sie sind formal vielschichtiger, in allen Effekten abwechslungsreicher und inspirierter. Sicherlich stammen diese bedeutenden Schöpfungen aus dem Höhepunkt der Schaffenszeit Meallis um 1660. Der Komponist hat seine Stücke mit dem Originaltitel Sonate per chiesa e camera, einer üblichen Praxis der Zeit entsprechend, sowohl für den kirchlichen als auch weltlichen Gebrauch bestimmt. Formal sind die einzelnen Sonaten jedoch kaum so typisiert, dass sie konkret funktional fixiert wären. Mit der langsamen Einleitung am Beginn aller Sonaten entspräche das Formkonzept an sich dem Modell der Sonata da chiesa, und in Opus 3 sind ja tatsächlich alle sechs Sonaten atmosphärisch von edlem, sakral anmutendem Gestus geprägt. Aber auch in Opus 4 sind vielleicht, abgesehen von der ersten Sonate mit Tanzelementen, kaum Stücke, die man a priori mit der geläufigen Formanlage der Sonata da camera in Verbindung bringen könnte. Es ist vermutlich müßig, bei der barocken Großzügigkeit eine funktionale Zuordnung allein auf Grund formaler Dispositionen vornehmen zu wollen. Inwieweit die Zuweisung der Sonaten an Musikerkollegen der Innsbrucker Hofkapelle auch Klangporträts sind, lässt sich nur schwer nachvollziehen. Jedenfalls wird man kaum leugnen können, dass die unglaublich sensitive Kantilene des Adagissimo der fünften Sonate, die dem Kastraten Clemente Antoni zugedacht ist, wahrscheinlich an dessen Pathos gemahnt und man folglich auch für die anderen Stücke eine direkte Beziehung zu den jeweiligen Zueignungsträgern annehmen darf. Wie originell und einfallsreich wird die überragende Könnerschaft seines Kapellmeisters Cesti in der zweiten Sonate charakterisiert, indem Mealli eine kunstvolle Passacaglia über eine chromatisch abfallende, den kompletten Oktavenraum ausfüllende Basslinie in a-Moll formt, bei der nur der Ton dis ausgelassen ist, bezeichnenderweise der, der in a-Moll den in der Musik als Diabolus verfemten Tritonus bildet. Die letzte der Sonaten ist einer Frau gewidmet, Signora Teodora Vincioli. Wir wissen nichts über sie und ihre Beziehung zu Pandolfi Mealli, aber die ungewöhnliche Aufeinanderfolge von fünf melodiebetonten und überaus klangsinnlichen Adagio-Abschnitten gibt einige Geheimnisse von Meallis Gefühlswelt preis.

Wie erwähnt, sind die Sonaten opus 3 formal eher uniform typisiert. Dem Modell der Sonata da chiesa entspricht die vierteilige in Tempo und Ausdruck kontrastierende Abfolge, wobei den dritten Abschnitt stereotyp eine mehr oder weniger ausgedehnte Passacaglia bildet. Harmonisch sind die Stücke reich bedacht, ebenso mit speziellen Effekten; Echowirkung und pathetische Diminutionen gehören dabei zum viel gebrauchten Ausdrucksrepertorium. Die Sonaten opus 4 sind konsequente Weiterentwicklungen in allen Parametern und gehören sicherlich zu den bedeutenden Zeugnissen der Violinliteratur, die damals zu voller Entfaltung drängte.

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