Johann Georg Tschortsch ist mit Sicherheit einer der großartigsten Komponisten der Tiroler Musikgeschichte. Es erscheint darum wohl geheimnisvoll, dass bisher weder exakt sein Geburtsjahr feststellbar war, noch die Stätte seines Grabes bekannt ist. Während zur Biographie Tschortschs nur wenige Notizen bekannt sind, haben sich zum Glück seine drei in Augsburg gedruckten Sammlungen mit Kirchenmusik vollständig erhalten, durchwegs Werke von herausragender Qualität. Stimmbücher zu den Drucken finden sich in Archiven und Bibliotheken in Österreich, Deutschland, Schweiz, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Kroatien, England und USA. (siehe RISM Serie A/I, 13 Bände von 1986 bis 1999/Einzeldrucke vor 1800 – http://rism.stub.uni-frankfurt.de)

Johann Georg Tschortsch entstammt einer Musikerfamilie, die in der Tiroler Bergwerksstadt Schwaz, über mehrere Generationen mit dem Amt des Pfarrorganisten betraut war. Um 1680 dürfte Johann Georg Tschortsch in Schwaz geboren worden sein. Auf dieses Datum verweisen mehrere Umstände: zum einem gibt Tschortsch bei der im Jahr 1734 erfolgten Visitation an, dass er 54 Jahre alt sei, zum anderen bestärkt diese Vermutung das Faktum, dass er 1696 offenbar auf Grund seiner  Mutierung als Singknabe der Innsbrucker Hofkapelle mit einer finanziellen Entschädigung abgefertigt wurde. In Innsbruck hat Tschortsch vermutlich das Gymnasium der Jesuiten besucht; jedenfalls ist sein Name bei Aufführungen von Schulspielen genannt. 1704 wurde er zum Priester geweiht. Die folgenden Jahre verbrachte Tschortsch bei seiner Familie in Schwaz und als Kaplan der Grafen Fieger auf Schloss Friedberg in der Nähe seiner Heimatstadt. 1729 wird ihm schließlich das Fuggersche Benefiziat an der Schwazer Pfarrkirche verliehen, das er bis zu seinem Tod am 26. März 1737 bekleidet.

Johann Georg Tschortsch scheint ein überaus sensibler und leicht verletzlicher Charakter gewesen zu sein, der den Lasten des Alltags nur schwer gewachsen schien. Aus diesem Grund hat er vermutlich auch sein an der Theologischen Fakultät in Innsbruck aufgenommenes Universitätsstudium abgebrochen und die Nähe und Geborgenheit seiner Familie und die Vertrautheit seiner Vaterstadt gesucht. Seine berufliche Karriere als Kleriker war bescheiden; die Musik wird der Mittelpunkt seines Lebensinhalts gewesen sein. Tschortsch war Musiker und Komponist und aus der praktischen Erfahrung im Schwazer Pfarrchor hat er seine primär funktional intendierten Werke geschaffen. Zur Rechtfertigung der Drucklegung seines Opus 3, den überaus beeindruckenden Marien-Offertorien, verweist Tschortsch bescheiden auf den Umstand, dass an Kompositionen für die zahlreichen Marienfeste ein großer Mangel bestünde. In der Messensammlung Opus 2 betont er ebenfalls die Praxisbezogenheit  seiner Veröffentlichung. Die publizierten Messen seien ein Produkt seiner vielfältigen und langjährigen praktischen Erfahrungen und darum auch für jeden Chor zu gebrauchen.

Tschortschs umfassende kompositorische Fertigkeit ist zuallererst in seinem nicht alltäglichen Talent begründet; seine große Kenntnis und die Souveränität ihres Gebrauchs folgert sich aber natürlich auch aus seinem musikalischen Ambiente. Grundlegende Erfahrungen wird ihm seine Tätigkeit als Singknabe der Innsbrucker Hofkapelle vermittelt haben, wo er nicht nur die Vielfalt kirchenmusikalischer Gattungen und Formen  kennen gelernt hat, sondern auch kontinuierlichen Musikunterricht erhielt und so Praxis und Theorie in idealer Weise und auf hohem Niveau erfahren hatte. Aber auch der damalige Pfarrchor von Schwaz war eine Musikinstitution von beachtlichem Rang und man kann sein großes Können nicht zuletzt am anspruchsvollen Repertoire ermessen..

So sehr sich Tschortsch in den Vorworten zu seinen Werken in blumiger Ausdrucksweise als Kind seiner Zeit ausweist, umso mehr erstaunt der ambitionierte fortschrittliche Gestus seiner Musik. Tschortschs Kompositionen sind von überraschender Frische. Die Melodik und Harmonik enthalten kaum Schnörkelhaftes, Verzopftes, sondern sind von erstaunlicher Klarheit und Folgerichtigkeit. In der an sich intendierten schlichten Grundkonzeption wirken die nicht selten überraschenden Momente seiner Musik umso eindringlicher. Meisterlich ist Tschortschs Satzkunst, sowohl in den homophonen wie polyphonen Abschnitten. Insbesondere beeindruckt, wie Tschortsch das teilweise hochartifizielle kontrapunktische Regelwerk virtuos beherrscht und im Stande ist, daraus lebendige Musik zu schaffen.  In der Vorrede zu Opus 1 der Sammlung von zehn Lauretanischen Litaneien betont er selbst den modernen Charakter seiner Vertonungen, den der Zuhörer kaum in Abrede stellen könnte.

Johann Georg Tschortsch hat mit Sicherheit eine Vielzahl kirchlicher Werke geschaffen. Was davon Handschrift geblieben ist, wird wohl für immer verloren sein, darunter auch jene Zusatzstimmen, die er im Vorwort zu Opus 2 erwähnt. Für größere Chorverhältnisse hatte er nämlich für das komplette Werk Füllstimmen angefertigt, die er Musikern zum Abschreiben zur Verfügung stellte.

Das erhaltene Werk Johann Georg Tschortschs ist numehr zugänglich gemacht. Die drei gedruckten Sammlungen wurden aus den Stimmbüchern vollständig in moderne Notenschrift transferiert und können so für Interessenten zur Verfügung gestellt werden.  

Vgl. www.musikland-tirol.at (Klangraum, CD 11/12)