Tiroler Landesmuseen & Tiroler Landeskonservatorium
Tiroler Weihnachtskonzert 2007
Konzertsaal des Tiroler Landeskonservatoriums
Samstag, 22. Dezember
13 Uhr öffentliche Generalprobe, 16 Uhr Konzert (1. Aufführung)
(20 Uhr: 2. Aufführung, geschlossene Veranstaltung für die Sch llerbank)
Sonntag, 23. Dezember
16 Uhr Konzert (3. Aufführung)
20 Uhr Konzert (4. Aufführung)

Geburt Christi. Emaille-Medaillon am Fuß des Weihnachtskelchs von Johann Jakob Vogelhund (†1745), Augsburg, um 1710. Stift Stams, Sakristei.
Tiroler Weihnachtskonzert 2007 Weihnachtsmusik aus Stift Stams
Idee, Konzept und Gestaltung: Manfred Schneider
Durchführung in Zusammenarbeit mit RISM (Répertoire International des Sources Musicales / Internationales Quellenlexikon der Musik) Landesleitung Westösterreich & Referat Südtirol (Hildegard Herrmann-Schneider)
Johann Elias DE SYLVA (1716 Innsbruck Innsbruck 1798) Sinfonia pastoritia (Weihnachtssinfonie), A-Dur, um 1770 Andante Allegro
Nonnosus MADLSEDER OSB (1730Meran Andechs/Bayern 1797)
A solis ortus cardine. Offertorium de Nativitate Domini Vom Aufgang der Sonne bis an die Grenzen der Erde
(Weihnachtsoffertorium) Nr. 14 aus: Offertoria XV pro principalibus festivibus Domini (15 Offertorien für die Hauptfeste des Herrn), Augsburg: 1765 A solis ortus cardine (Chor) Jacere foeno pertulit (Er ertrug das Liegen im Heu, Duett Sopran & Tenor) Viderunt omnes fines terrae (Alle sahen die Grenzen der Erde, Chor)
Karl CONSTANZ (1747 Klausen/Südtirol Brixen/Südtirol 1817) Missa pastorella (Weihnachtsmesse), um 1775 Gloria, D-Dur
Quem vidistis pastores dicite. Offertorium de Nativitate Domini Ihr Hirten sagt, wen habt ihr gesehen?
Missa pastorella: Credo, D-Dur
Franz Xaver SCHLECHT (um 1730 Eichstätt 1782)
Lacte candidior butyro dulcior auree pupule. Offertorium de Nativitate Domini Weißer als Milch, süßer als Butter, goldenes Knäblein [ ] unser König
Lacte candidior butyro dulcior (Arie, Sopran) Lacte candidior butyro dulcior (Chor)
Karl CONSTANZ
Missa pastorella: Sanctus, D-Dur Benedictus, G-Dur
Stefan PALUSELLI OCist. (1748 Kurtatsch/Südtirol 1805 Stams) Quem vidistis pastores dicite. Offertorium de Nativitate Domini, um 1780 Quem vidistis pastores dicite (Ihr Hirten sagt, wen habt ihr gesehen? Rezitativ, Sopran)
Vidimus parvulum natum (Wir haben das kleine neugeborene Kind gesehen, Chor)
ANONYMUS
Pastorella (Hirtenmusik), C-Dur, um 1800 für Orgel, Instrumentierung von Manfred Schneider
Edmund ANGERER OSB (1740 St. Johann/Tirol Fiecht 1794) Dum medium silentium tenerent omnia, Weihnachtsmotette, um 1775 Dum medium silentium (Als alles in tiefem Schweigen lag, Chor) Omnipotens sermo tuus (Dein allmächtiges Wort, Chor)
ANONYMUS
Intrada (Aufzugsmusik), D-Dur, um 1800 für 3 Trompeten und Pauken In Angerers Motette von Manfred Schneider als Einlage zwischen die beiden Chöre Dum medium und Omnipotens sermo gesetzt
ANONYMUS
Quem vidistis pastores dicite. Graduale Pastorale, D-Dur, um 1770 Ihr Hirten sagt, wen habt ihr gesehen? (Weihnachtsgraduale)
Stille Nacht heilige Nacht. Tiroler Weihnachts-Lied, 1849 Tiroler Liedfassung der Nationalsänger Geschwister Strasser (1833) aus Laimach im Zillertal, in Stams anonym überliefert in einer Handschrift des Stamser Chorregenten P. Wilhelm Pritzi OCist. (1808 Fiss/Tirol Stams 1859)
Ausführende
Maria Erlacher, Annette Ruprecht, Sopran
Bernhard Landauer, Martin Oro, Altus
Bernd Oliver Fröhlich, Johannes Puchleitner, Tenor
Ralf Ernst, Bass
Kammerchor und Kammerorchester des Ferdinandeums Konzertmeisterin: Erzsébet Rácz
Dirigent: Josef Wetzinger
Institut für Tiroler Musikforschung Innsbruck 2007 Alle Rechte vorbehalten
Das Musikarchiv von Stift Stams ist neben der Musiksammlung des Ferdinandeums eine der großen musikalischen Schatzkammern Tirols. Der Notenbestand, der vor allem auch eine Vielzahl von Quellen des späten 18. Jahrhunderts umfasst, ist aufgrund seines Inhalts wie ausgezeichneten Erhaltungszustands von überregionaler Bedeutung. Die wissenschaftliche Erschließung durch Hildegard Herrmann-Schneider (RISM Landesleitung Westösterreich & Referat Südtirol / Répertoire International des Sources Musicales / Internationales Quellenlexikon der Musik) ist noch im Gang, mit Jahresende 2007 umfasst die RISM-Datenbank für Stams über 6000 Titel allein an Musikhandschriften. Die einzigartige Stamser Musikaliensammlung enthält Kompositionen für die Kirche zu verschiedenen Anlässen und ebenso weltliche Werke wie Sinfonien, Singspiele oder Kammermusik, wie sie damals auch in einem Stift zur aktuellen, vielseitigen Musikpflege gehörten. Aus diesem reichen Fundus hat Manfred Schneider dieses Tiroler Weihnachtskonzert zusammengestellt, organisiert und gestaltet.
Johann Elias de Sylva entstammt einer Südtiroler Familie aus Kaltern und wurde in Innsbruck geboren. Im nahen Hall besuchte der das Gymnasium und gehörte dort wohl auch zu den Singknaben des Damenstifts. Nach seiner Priesterweihe kam er zurück an die Pfarrkirche seiner Heimatstadt und wirkte in St. Jakob ab 1759 als Chorregent. De Sylvas Kompositionen haben sich vor allem im Stift Stams erhalten, darunter mehrere Messen und neun zweisätzige Symphonien, die ihn als ersten Tiroler Sinfoniker ausweisen (7 Sinfonien de Sylvas auf der CD Musik aus Stift Stams 14, Institut für Tiroler Musikforschung 1997).
Nonnosus Madlseder wurde in Meran geboren und auf den Namen Johann Baptist getauft. Den Klosternamen Nonnosus wählte er, als er 1749 als Novize in die Benediktinerabtei Andechs eintrat. Dort verbrachte er sein weiteres Leben vor allem im Dienste der klösterlichen Musik. Madlseder war ein bedeutender Komponist sakraler Musik und veröffentlichte in den Jahren 1765 bis 1771 vier Sammlungen mit Kirchenmusik, darunter 30 Offertorien und mehrere Miserere und Vespern (seine Missa solemnis in a-Moll, zwei Motetten und sein Te Deum in C-Dur auf der CD Musik aus Stift Stams 16, ITMf 1997).
Carl Constanz, ein Sohn des Klausener Pfarrorganisten Franz Constanz, empfing 1770 die Priesterweihe. In den ersten Monaten des Jahres 1771 wurde er vom Brixner Fürstbischof Leopold von Spaur zum Musikunterreicht nach Salzburg geschickt. Dort verweilte er auch noch 1772, um sich im Orglschlagen zu perfectionieren. 1774 jedenfalls war er wieder in Brixen und leistete Dienste als Hofmusiker, 1775 trat er die Stelle des Hof- und Domorganisten an. Seit 1790 Dombenefiziat, versah er bis zu seinem Tod zudem das Amt des Pfarrorganisten von Brixen. Seine Weihnachtsmesse scheint exklusiv in Stams überliefert zu sein, dafür hier in zwei verschiedenen Handschriften, beide um 1770: einmal als Missa pastorella, einmal als Missa solemnis. Das Kyrie (in d-moll) und Agnus Dei wurden für dieses Konzert ausgespart.
Franz Xaver Schlecht war eine wesentliche Instanz für das vielfältige Musikleben der Bischofsstadt Eichstätt. Dafür war zum einen sein reichhaltiges kompositorisches Schaffen bestimmend, zum anderen seine bedeutende musikalische Funktion als Domkapellmeister. Wie so viele Musiker und Komponisten der damaligen Zeit, insbesondere an Kathedralkirchen, gehörte er dem Klerikerstand an. Er stammt aus Wendlingen am Dosbach, möglicherweise auch aus Wemding im Nördlinger Ries, ursprünglich hatte er in Salzburg Jus studiert. Sein Weihnachtsoffertorium Lacte candidior ist z. B. auch in einer franziskanischen Bearbeitung (um 1770) unter den Musikalien im Provinzarchiv der Franziskaner zu Schwaz überliefert, aus dem ehemaligen Notenfundus des Franziskanerklosters Innsbruck.
Stefan Paluselli, seit 1770 im Stift Stams, war hier sein Leben lang vielfältig musikalisch tätig, als angesehener Organist, Musiklehrer, Chorregent und Komponist von über 200 Werken für unterschiedlichste Gelegenheiten. Einen Einblick gibt z.B. die online-Präsentation
La Semplicità und Gran Rumore : Die Klangwelt des P. Stefan Paluselli OCist. (17481805) im Stift Stams im www.musikland-tirol.at. Die bei diesem Konzert präsentierte Weihnachtskantate Quem vidistis pastores hat sich im Stift Stams autograph als Offertorium mit dem Text Credo spero amo erhalten (s. CD Musik aus Stift Stams 22, ITMf 2006). Im Musikarchiv von Stift Wilten (Innsbruck) ist eine musikalisch identische Fassung mit der Autorenangabe J. N. Fischler als Offertorium de Nativitate Domini aus der Zeit um 1780 überliefert. Dieser Handschrift haben wir nun den weihnachtlichen Text Quem vidistis pastores entnommen. Da der in Wilten genannte Komponist J. N. Fischler bisher nicht identifizierbar ist, haben wir die Autorschaft Palusellis beibehalten. Es ist kaum anzunehmen, dass ein Komponist von Palusellis Rang sich eines Plagiats bedient hätte, vielmehr dürfte er sein Frühwerk Quem vidistis pastores später für Stams kontrafaziert (mit einem anderen Text unterlegt) haben, ein im 18. Jahrhundert gängiges Verfahren. J. N. Fischler dürfte folglich ein Pseudonym sein, der Grund für seine Verwendung ist fraglich.
Edmund Angerer, ein Sohn des St. Johanner Schullehrers und Organisten Stefan Angerer, war von Kindheit an mit Musik vertraut. 1758 trat er in das Benediktinerstift St. Georgenberg-Fiecht ein. Seine Wahl fiel auf dieses Kloster, weil es damals ein bedeutendes Zentrum der Musikpflege war und vermutlich auch, weil es in unmittelbarer Nachbarschaft zum Wirkungsort seines Vaters lag, der damals Pfarrchorregent von Schwaz war. Edmund Angerer schuf nicht nur geistliche Werke, sondern vertonte auch originelle Singspiele. Vor allem aber ist er der tatsächliche Schöpfer der bezaubernden Berchtoldsgaden Musick, die als sog. Kindersinfonie weltweite Popularität erlangte.
Das Weihnachtslied Stille Nacht heilige Nacht ist ein Weltvolkslied. Dieses Attribut verdankt es Nationalsängern aus Tirol, die Stille Nacht in der Welt bekannt gemacht hatten. Die ersten Sänger, die dieses heute so vertraute Lied in ihrem Repertoire hatten, waren die Geschwister Strasser aus Laimach im Zillertal. Sie haben die ursprünglich von Franz Xaver Gruber in Oberndorf in Salzburg für die Weihnachtsmette 1818 komponierte Weise für ihren musikalischen Geschmack zurecht gesungen und so ein Volkslied daraus gemacht. In dieser Tiroler Fassung ist das Lied verbreitet worden, in zahlreichen Druckwerken als Lied aus dem Zillertal oder Tiroler Volkslied, ferner durch wandernde Sängergesellschaften aus Tirol, die im 19. Jahrhundert in ganz Europa mit ihren Liedern Furore machten. Der Erstdruck der Fassung der Strasserkinder ist treu diesen trefflichen Natursängern nachgeschrieben, so lautet es im Sammeldruck Vier ächte Tyroler Lieder von 1833 (Dresden: A. R. Friese). Eine exakte, anonyme Abschrift dieses Drucks hat sich im Stift Stams aus dem Jahr 1849 erhalten, wo Stille Nacht wie bei nahezu allen Traditionen des Liedes wiederum als Tyroler Weihnachtslied überliefert ist.
Das Tiroler Weihnachtskonzert ist das klingende Weihnachtsgeschenk des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum für alle Musikfreunde. Wie bereits alljährlich seit 1988 werden jedes Mal Neuentdeckungen aus Tirols großartiger Musikgeschichte vorgestellt. Im Mittelpunkt steht dabei eine festliche Weihnachtsmesse für Vokalsolisten, Chor und Orchester. Eingeflochten in die Messe sind musikalische Szenen der Weihnachtsgeschichte. Das Tiroler Weihnachtskonzert ist in seiner originellen Konzeption völlig einzigartig und international ohne Vergleichsbeispiel. In seiner berührenden Gestaltung hat es zahlreiche Freunde im In- und Ausland gewonnen. Alle bisherigen 19 Konzertprojekte wurden jeweils auf CD dokumentiert (Innsbruck: Institut für Tiroler Musikforschung) und bringen somit die klingende Weihnachtsbotschaft über die Veranstaltung hinaus zu vielen Menschen. Das Tiroler Weihnachtskonzert 2007 ist nach den Tiroler Weihnachtskonzerten 1994 und 1995 (CDs Musik aus Stift Stams 3 bzw. 8) das dritte Konzert mit einem neuen Weihnachtsprogramm ausschließlich aus der großen Musiktradition von Stift Stams.