Zum Werk

Die „Aria“ Dies ist der Tag von Gott gemacht ist als schlichtes Strophenlied mit Chorrefrain angelegt; die Strophen sind den drei Solostimmen anvertraut: die erste Strophe dem ersten Sopran, die zweite dem zweiten Sopran, die dritte dem Bass. Ein längeres Vorspiel und kurze Zwischenspiele sind der Orgel anvertraut.

Die Besetzung mit drei Singstimmen und Orgel ist typisch für die franziskanische Kirchen­musik der Zeit um 1800; als im Zuge der vielfältigen Säkularisierungsbestrebungen der Zeit die meisten Institutionen der Kirchenmusikpflege ihr Personal reduzieren mussten, wurde auch in größeren Klöstern und an Stadtpfarrchören in kleinen Besetzungen musiziert. Wie alle Tiroler Prälatenklöster wurde auch das Stift Stams 1807 aufgehoben; zwar verblieben auch während der Säkularisation Zisterzienser in Stams, aber die Ressourcen für Musikaufführun­gen waren stark eingeschränkt. Dieser veränderten Situation kommt das Stück mit seiner Mi­nimalbesetzung entgegen; das Instrumentarium ist auf eine konzertierende Orgel beschränkt. Ob das Stück von Holzmann für diese Besetzung komponiert oder von anderer Hand bear­beitet wurde, ist mangels eines Autographs nicht feststellbar; jedenfalls sind solche Anpas­sungen an regionale Gegebenheiten in großer Zahl nachweisbar. Die im alten Notenbestand des Haller Pfarrchores im Autograph überlieferten Werke Holzmanns, auch die Arien für die Advents- und Weihnachtszeit, erfordern durchwegs einen größeren Apparat. Der Haller Pfarr­chor war von den Beschränkungen der Säkularisation weit weniger betroffen als die Zentren klösterlicher Musikpflege. All dies spricht dafür, dass die Originalfassung des Weihnachtslie­des größer besetzt war. Auch die musikalische Faktur ist nicht zwingend idiomatisch für ein Tasteninstrument, sondern könnte durchaus die Reduktion eines Orchestersatzes darstellen. Die Alberti-Begleitfiguren und Trommelbässe etwa verwendet Holzmann häufig auch in sei­nen Orchesterwerken.

Der anonyme Text stammt wohl aus volkstümlicher Überlieferung und wurde im 19. Jahr­hundert auch mehrfach vertont. Eine anonyme Vertonung in E-Dur ist zum Beispiel in der Musiksammlung des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum überliefert (RISM Westösterreich-Datenbank Titel No. 3912); die Handschrift stammt aus dem Besitz der Pfarrkirche Virgen in Osttirol.

Gerade in der volkstümlichen Einfachheit des Strophenliedes liegt der innovative Zug des Werkes: Niemals kam es zu einem so engen, wechselseitig anregenden Naheverhältnis der Sphären des Volksmusizierens und der Kirchenmusik wie in der Zeit um 1800; gerade die Musik zum Weihnachtsfest hat traditionell einen ausgeprägt volkstümlichen Zug. Das Weih­nachtslied Dies ist der Tag von Gott gemacht von Joseph Alois Holzmann ist Beispiel für die der regionalen volksmusikalischen Tradition stark verbundene Tiroler Weihnachtsmusik um 1800.

 

Franz Gratl